Zoe in Indien

von Zoe Valérien
Februar 5, 2019

Ich war nervös, als ich mein Flugticket buchte. Indien. Man hat schon viel davon gehört und doch weiß man nicht, was einen erwartet. Wie man dieses Land wahrnimmt und was es in einem bewegt. So ging es zumindest mir und dass das Reisen immer etwas bewegt, mag ich gerne. Ja, es treibt mich an. Aber vor dieser Reise war ich mir ganz und gar nicht sicher, in welche Richtung es gehen wird. 

Ayurveda besitzt seine Wurzeln in Indien und je mehr Ausbildungen ich absolvierte und je mehr ich mich mit diesem Thema befasste, desto neugieriger wurde ich. Woher kommt dieses Wissen? Welche Rolle spielt es dort heute? Was bedeutet Ayurveda eigentlich wirklich? Und wie empfinde ich Indien als Land? All diese Fragen schwirrten in meinem Kopf herum und ich musste es selbst herausfinden. Ich wollte es selbst herausfinden. Ich durfte es selbst herausfinden. 

Ingwer wird hier für den Prozess des Trocknen immer wieder gedreht

Ende 2017 bin ich in meiner Reise-Recherche auf die amerikanische Ayurveda Therapeutin Julie Bernier aufmerksam geworden, die ich kontaktierte und dann ein paar Wochen später nach Indien zu einer einheimischen Familie ayurvedischer Ärzte begleitete. Es ging alles sehr schnell. Wir kannten uns nicht persönlich, ich hatte aber ein sehr warmes Gefühl. Also wartete ich nicht lange. 

Julie Bernier

Reisen an sich ist für mich ein sehr vertrautes Gefühl. Dadurch dass mein Vater aus Frankreich kommt, ich eine sehr reisefreudige Familie habe und in einer Beziehung mit einem Engländer bin, kenne ich den ständigen Aufbruch. Indien war anders. Ich war dann doch etwas nervös, als ich von München aus ins Unbekannte flog – gleichzeitig aber voller Freude und Neugierde. 

Die ersten Tage verbrachten wir in Kochi, einer Stadt im südlichen Bundesstaat Kerala. Das Gefühl von Heimweh kannte ich bis dato nicht, aber nun war es wohl an der Zeit, dass auch ich es einmal erlebe. Ich weiß bis heute nicht genau, weshalb ich mich nach meiner Heimat sehnte, denn schon oft war ich mit viel Freude in Ländern, die dem mir Bekannten nicht sehr ähnlich waren. Ich glaube, dass es dieses Gefühl war, das Leben der Menschen dort schlecht einordnen zu können. Die Inder leben unglaublich langsam und schnell zugleich. Sie sind sehr warmherzig und doch strahlen sie etwas Misstrauisches aus. Es gibt so viel Ruhe und doch ist es extrem hektisch. So viele Kontraste sind mir begegnet, die ich in keinem anderen Land so stark wahrgenommen habe. Eine sehr persönliche Wahrnehmung, die sicherlich für jeden individuell anders ist und damit möchte ich auch keinen Aspekt dieser Kultur werten. Es war ein Gefühl, das in mir so vorhanden war und mich aufforderte, darüber nachzudenken. Zu akzeptieren, dass wir vielleicht weniger einordnen sollten. Meine eigenen Wertesysteme hinterfragen. Das Herz für Andersartigkeit noch mehr zu öffnen.

Kochi, Kerala

Ich gewöhnte mich dann doch sehr schnell an den Alltag dort und konnte mich schon nach ein paar Tagen darauf einlassen. Mich von vielen wunderbaren Erlebnissen überraschen lassen, die noch wunderbarer werden, wenn wir unsere Erwartungen herunterschrauben. 

Markteindrücke aus Kochi

Nach einigen Tagen unseres Aufenthaltes in Kochi fuhren wir dann mit dem Zug in ein paar Stunden nördlich gelegenes Dorf, wo uns die Familie, bei der wir für die nächsten 3 Wochen lebten, herzlich empfingen. Obwohl wir schon in Kochi mit der ayurvedischen Medizin in Kontakt kamen, bekam ich erst hier in Gegenwart des ayurvedischen Arztes einen wirklichen Einblick in den indischen Alltag dieser Familie. Mir war bewusst, dass es so viele Lebensmodelle wie Familien gibt, dennoch bekam ich ein Gefühl dafür, wie der Ayurveda dort authentisch gelebt werden kann. 

Neben deren Privathaus besitzt diese Familie eine kleine ayurvedische Klinik, wo Dr. Mali gemeinsam mit seinen Therapeuten viele Menschen präventiv und vor allem auf deren Heilungsweg unterstützt. Ich selbst hatte eine fast 3-wöchige Panchakarma Kur vor mir. Dies ist im Ayurveda eines der wichtigsten Reinigungsverfahren, das den Körper und Geist auf vielen Ebenen dabei unterstützt, zurück in das individuelle Gleichgewicht zu kommen. Diese Reinigung ist kein Wellness-Programm, kein Zuckerschlecken. Es ist ein durchdachter Prozess, der die Bereitschaft des Patienten einfordert und viel medizinische Erfahrung von Seiten des Arztes benötigt. Die meisten Menschen machen eine solche Kur, um ihrer Gesundheit wieder mehr Raum zu geben und Krankheiten zu heilen. Ich persönlich war „nur“ neugierig. Ich hatte zu dem Zeitpunkt keine offensichtlichen Beschwerden, fühlte mich fit und war bereit, dies rein präventiv und als Teil meiner Ausbildung zu erleben. Und wer weiß, was in einem Körper manchmal so schlummert, von dem man noch nicht Bescheid weiß – sei es nur ein harmloser Infekt oder Giftstoffe, die sich über die Jahre ansammeln. Schnell habe ich diese Zeit dennoch als sehr heilend empfunden. Ich konnte durch den Reinigungsprozess gewisse alte Dinge etwas besser loslassen, die nicht mehr zu mir gehörten. Anderes fiel mir wiederum schwerer, gehen zu lassen. Es ist ein Prozess und vor allem ein unglaublich Spannender. Was ich selbst erfahren durfte, ist, dass ein Loslassen auf körperlicher Ebene immer auch ein Loslassen von bestimmten Gedanken ist. Und umgekehrt. Die Zellen erneuern sich und somit wird ein Neuanfang möglich – wo auch immer man einen Neuanfang einladen möchte. 

Blick während meiner Panchakarma Kur
Für viele Behandlungen wird ein Massagetisch aus Neem verwendet. Ihm werden viele positive Wirkungen für die Haut zugeschrieben.
Pinda Sveda – eine Behandlungsform mit Kräuterbeuteln

Ich denke noch heute gerne an diese Reise zurück… An die pujas, die sogenannten Zeremonien, die ich im Haus der Familie erlebte. Die Wärme, die meine Therapeutinnen ausstrahlten. Die Art und Weise, wie die Köchin mir ohne Worte beibrachte, Gewürze zu verwenden. Wie Wissenschaft und Spiritualität harmonisch nebeneinander leben dürfen. An den Neembaum, auf dem ich täglich behandelt wurde. An die saftigsten Granatäpfel…. Indien ist ein Land, das immer wieder überraschen kann. Es ist so unglaublich lustig, tief berührend und traurig zugleich. Ich durfte erkennen, das Ayurveda in Indien in der Ausführung anders sein muss, als bei uns im Westen. Wir leben in einem anderen Klima, sind anders aufgewachsen und haben andere Pflanzen und Lebensmittel vor unserer Haustüre. 

Indien hat mich verändert. Offener und kritischer zugleich bin ich geworden und ich freu mich, wenn ich irgendwann den Norden Indiens bereisen darf. In die Berge Indiens… 


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